TCM und Philosophie

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Die philosophischen Grundlagen der 
Traditionellen Chinesischen Medizin


Die Wurzeln dessen, was wir heute als Traditionelle Chinesische Medizin bezeichnen, reichen bis weit in das 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurück. Wie in vielen frühen Kulturen wurde damals die Heilkunst im Rahmen schamanistischer Rituale ausgeübt, um die bösen Dämonen auszutreiben, die für die Krankheiten verantwortlich gemacht wurden. Die Welten des Diesseits und des Jenseits wurden in dieser Zeit nicht klar voneinander abgegrenzt, und über die Ausübung des Ahnenkults wurde ein harmonisches Miteinander zwischen den Seelen der Lebenden und den Geistern der Toten zu erreichen versucht. Der Mensch wurde als zwischen dem Himmel und der Erde befindlich betrachtet, unter dem Einfluss der geistigen Wesenheiten stehend und von der Ernährung durch die Erde abhängig.

In den Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung entwickelten sich u.a. die beiden wichtigsten Weltanschauungsmodelle, die ihren Ursprung in China haben und großen Einfluss auf die Entwicklung der Traditionellen Chinesischen Medizin, nämlich der Konfuzianismus und der Daoismus.


Der bei uns in Anlehnung an den Namen seines Begründers Kung Fuzi so genannte Konfuzianismus wurde in China eigentlich als "Schule der Gelehrten" bezeichnet. Kung Fuzi, einer der berühmtesten und verehrtesten geistigen Lehrer des alten China, ging von einem Weltbild aus, in dem die Beziehungen und das Verhalten der einzelnen Menschen untereinander die Ordnung und den Lauf der Welt im Guten oder im Schlechten beeinflussten. Dabei galten als Leitbilder menschlichen Handelns die fünf Tugenden Menschlichkeit, Rechtschaffenheit, ethisches Verhalten bzw. "Anstand", Weisheit und Güte sowie die drei sozialen Pflichten Loyalität ("Untertanentreue"), kindliche Pietät ("Verehrung der Eltern und Ahnen") und die Wahrung von Anstand und Sitte. Kung Fuzi lehrte, dass die Menschen, wenn sie ihr Leben unter Beachtung der Tugenden und der sozialen Pflichten führen, sich auf diese Weise zum Guten verändern und darüber hinaus über die Familie, die dörfliche Gemeinschaft, die Provinzen und das Reich schließlich die Harmonie und Ordnung des Kosmos zu fördern in der Lage seien. Bezüge zum Wesen und Wirken von Geistern und Gottheiten werden in dieser Lehre nicht hergestellt, vielmehr wird Kung Fuzi folgende Aussage zugesprochen: "Wenn man noch nicht einmal den Menschen dienen kann, wie soll man dann den Geistern dienen?"

Die Ordnungsbestrebungen der konfuzianischen Lehre nahmen erheblichen Einfluss auf die Systematisierung der Heilkunde in China, die besonders in den letzten zwei Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung durch die Veröffentlichung der ersten wichtigen klassischen Schriften der Chinesischen Medizin erkennbar wurde.

Der Daoismus (von Dao ~ Weg, Lehre, Prinzip) war eine zunächst uneinheitliche Sammlung von Gedankengut, das sich etwa seit Beginn des letzten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung entwickelt hat. Dazu gehören das Yi Jing ("Buch der Wandlungen") die Theorie von Yin und Yang (siehe "Qi, Yin und Yang - was ist das eigentlich?"), in der sich das dynamische, wärmende Prinzip Yang und das ruhende, nährende Gegenüber Yin in einem ständigen Wechselspiel befinden, das Lebenskraftkonzept des Qi sowie die fünf Wandlungsphasen. Diese Lehren und Prinzipien sind für die chinesische Heilbehandlung mit Akupunktur und Chinesischen Arzneimitteln, jedoch auch Techniken zur Kultivierung von Bewegung, Atmung und Geist wie Taiji Quan und Qigong von großer Bedeutung. Nach dem Daodejing, einem der Hauptwerke des Daoismus, wird das Dao - was zwar oft schlicht mit "Weg" übersetzt wird, im Daoismus aber auch die Bedeutung von "rechtem Weg", "Lehre" und "Prinzip" hat - sowohl als eine grundlegende kosmische Ordnung verstanden als auch eine Richtschnur für ein Leben in Harmonie mit dem Lauf der Welt. Die umfassende Bedeutung des Dao entzieht sich einer begrifflichen Beschreibung, und so lauten bereits die allerersten Verse des Daodejing sinngemäß:



Das Dao, das benannt werden kann, ist nicht das ewige Dao.
Der Name, der benannt werden kann, ist nicht der ewige Name.

 


Im weiteren Verlauf werden Yin und Yang als die grundlegenden wahrnehmbaren Aspekte des Dao genannt, die ihrerseits die Basis der "zehntausend Dinge", also sämtlicher Phänomene der unbelebten und belebten Welt darstellen.

Als eines der Hauptziele im Daoismus gilt es, dass jedes Wesen seinen individuellen Weg gehen soll, um vollkommene Harmonie mit dem Lauf der Welt zu erlangen. Dieses wird nach der Lehre des Dao am ehesten nicht etwa durch den denkenden Verstand erreicht, sondern dadurch, auf intuitivem Weg das Dao - den naturgegebenen Lauf der Dinge - zu erkennen und nach dem Prinzip des Wu Wei ("Nicht-Handeln" bzw. "Nicht-Erzwingen") geschehen zu lassen. Jenes Erkennen und Geschehen-lassen wird erleichtert, indem der Geist von festgefügten Vorstellungen und materiellen Wünschen geleert wird. Der dann leere und reine Geist kann sich nun mit Dao anfüllen und mit dem kosmischen Geist verschmelzen, dem großen Ziel, das der daoistische Weise anstrebt.

Die Harmoniebestrebungen der daoistischen Lehre haben einen immensen Einfluss auf die Zielsetzungen und therapeutischen Prinzipien der Chinesischen Medizin genommen, denn letztlich ist es jeweils das Ziel der Therapeuten, eine gestörte Balance von Yin und Yang der Kranken auf den Wegen des Qi, der im Organismus zirkulierenden und nährenden Energien, wieder in den Zustand von Harmonie zu versetzen, sei es durch eine entsprechende Lebensführung, durch Akupunktur, Arzneitherapie oder gesundheitsfördernde Übungen wie Taijiquan oder Qigong.

Der Einfluss des Buddhismus, der dritten der "drei großen Lehren" in China, auf die Entwicklung der Chinesischen Medizin ist - auch aufgrund der Tatsache, dass der Buddhismus in China erst ab dem 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung nennenswerten Einfluss nahm - weniger auffällig und weniger leicht zu charakterisieren. Einerseits sind einige der Ideen des Buddhismus mit denen des Daoismus in ihren Grundzügen verwandt (z.B. das Prinzip der grundlegenden Leerheit der Phänomene), auf der anderen Seite hat der unterschiedliche Denkansatz im Buddhismus - so etwa das Prinzip des abhängigen Entstehens der Phänomene - sicher die Weiterentwicklung der Denkstrukturen in der Heilkunde beeinflusst. Das im Buddhismus grundlegende Prinzip der Leidhaftigkeit des irdischen Daseins hat möglicherweise das aus dem Daoismus stammende Langlebigkeits- und Unsterblichkeitsbestreben relativiert.

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